Wie Leroy Sané die sportliche Wende gelang

Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei Bayern München sorgt Flügelstürmer Leroy Sané mittlerweile für Furore. Die Wiedererstarkung des 25-Jährigen ist auch ein Verdienst von Cheftrainer Hansi Flick, der an der taktischen Einbindung Sanés gefeilt hat. 

Dass Sané aktuell ein absoluter Leistungsträger bei den Bayern ist, unterstrich sein Auftritt gegen Borussia Dortmund am vergangenen Samstag. Beim hart erkämpften 4:2-Sieg des deutschen Rekordmeisters kam Sané häufig in Eins-gegen-Eins-Situationen mit Linksverteidiger Nico Schulz. Vorm Anschlusstreffer in der ersten Halbzeit konnte er Schulz zudem mit einem Trick reinlegen: Sané deutete auf der ballfernen Seite einen Tiefenlauf an, woraufhin Schulz ein paar Meter zurückging. Sané blieb aber stehen und erhielt ungedeckt das Zuspiel. Bis Schulz bei ihm war, konnte der bayerische Flügelstürmer bereits die Flanke auf Robert Lewandowski spielen. 

Anhänger der Premier League werden sich noch genau daran erinnern, wie Sané in der Saison 2017/18 für Manchester City groß aufspielte. Zu Recht wurde er zum „PFA Young Player of the Year“ gewählt. Pep Guardiola verstand es im damals ersten Jahr Sanés in England, den dribbelstarken Deutschen in einer vornehmlich isolierten Rolle einzusetzen. Sané sollte nach Verlagerungsbällen die Möglichkeit erhalten, ins Eins-gegen-Eins oder auch gelegentlich Eins-gegen-Zwei zu gehen. Genau dann fühlte er sich wohl. Das war 2017 so und ist auch heute noch der Fall. 

2021-03-09_Sane-City_Pässe-Aktionen

Allerdings war das Offensivspiel von City damals recht deutlich auf die Stärken Sanés zugeschnitten. Bekanntlich hatte sich Guardiola in jener Zeit von seinem herkömmlichen taktischen Ansatz ein wenig verabschiedet und wollte „englischer“ spielen lassen. Bei den Bayern ist die Konstellation eine andere. Sané kämpft mit Kingsley Coman und Serge Gnabry um die beiden verfügbaren Flügelstürmerplätze im 4-2-3-1 von Flick. Coman ist auch ein guter Isolationsdribbler, kann aber auch einfach Flanken schlagen oder sich mit Haken in den Zwischenlinienraum bewegen. Gnabry hat einen viel direkteren Zug zum Tor als die beiden anderen. Somit konnte Sané nicht einfach in jedem Spiel, in dem er zum Einsatz kam, in eine für ihn perfekt konfektionierte Rolle schlüpfen. 

Insgesamt musste Sané aufgrund der taktischen Ausrichtung der gesamten Mannschaft sowie der für ihn nur selten kreierten Isolationssituationen viel häufiger tief gehen und Bälle klatschen lassen oder nach vorn schleppen. Auch tauchte er recht oft im Zwischenlinienraum auf, um dort den Versuch zu unternehmen, kleinteiligere Passstafetten aufzuziehen oder zumindest an eben diesen zu partizipieren. Sané erkannte, was der bayerische Spielstil von einem Flügelstürmer verlangte und versuchte sich anzupassen, auch wenn es nur bedingt seinem Naturell entsprach. 

2021-03-09_Sane-Bayern_Ballberühungen

Dass die Bayern insgesamt die eigenen Flügelspieler etwas kleinteiliger einbanden, hatte auch mit der personellen Situation im zentralen Mittelfeld zu tun. Joshua Kimmich und Leon Goretzka fehlten eine Weile, wodurch der Schaltzentrale die notwendige Pass-Range abging. Mit Corentin Tolisso, Jamal Musiala und selbst Marc Roca bestand bei den Bayern nicht die Sicherheit, dass die längeren Zuspiele und Verlagerungsbälle mit hoher Wahrscheinlichkeit ankommen würden. Also gingen die Flügelspieler etwas tiefer, alles schob sich zusammen und das Risiko wurde geringer. 

In den vergangenen Wochen wurde die Ausrichtung wieder etwas weiträumiger und aufgrund der Gegenpressing-Präsenz von Kimmich und Goretzka auch dominanter in höheren Zonen. Sané musste seine grundsätzliche Spielweise nur bedingt anpassen. Die Diagonalität sowie der Zug zur Grundlinie ist auf der rechten Seite immer noch vorhanden. Als Linksfuß mit einem passablen „schwachen“ Rechten hat er Möglichkeiten, beide Richtungen einzuschlagen. Er kann zudem häufig einknicken und mit Links den Ball mit etwas Drall nach innen spielen. Der große Unterschied betrifft die Höhe der Ballannahmen sowie den Vorlauf der Pässe. Sané wird weiter vorn auf dem Feld und zumeist auf kürzerer Distanz angespielt. Damit ist die Annahme meist sauberer und er kann im besten Fall die Dynamik des Zuspiels sofort nutzen.

2021-03-09_Sane-Bayern_Aktionen-Vergleich

Obwohl Sané wiedererstarkt ist und aktuell eine große Stütze für die bayerische Offensive darstellt, ist er nur noch bedingt der Spieler, der Manchester City in seinem ersten Jahr mit zum Meistertitel trug. Er ist nun mehr Rechts- als Linksaußen und insgesamt weniger eindimensional. Trotzdem liebt er weiterhin die Isolation und brilliert in dynamischen kurzlebigen Aktionen im letzten Spielfelddrittel. Daran wird sich auch künftig wenig ändern und davon sollte übrigens auch Bundestrainer Joachim Löw Notiz nehmen, denn auch in der DFB-Elf musste Sané zuletzt zu oft zu weiträumig und tief agieren. Löw kann sich vielleicht mal mit seinem alten Kumpel Flick dazu austauschen. 


Alle Grafiken und Visualisierungen in diesem Artikel stammen aus der Twenty3 Toolbox und verwenden Daten von Wyscout. 

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