Wie wird Julian Nagelsmann den FC Bayern München verändern?

Bayern München hat wieder einmal einen Coup gelandet. Als Ersatz für den scheidenden Trainer Hansi Flick holt der deutsche Rekordmeister niemand Geringeres als Julian Nagelsmann ins Boot. Dieser darf schon bald seine fußballerischen Ideen in München verwirklichen. 

Mit Blick auf Nagelsmanns Arbeit für RB Leipzig kann man zu dem Schluss kommen, dass er höchstwahrscheinlich nahtlos an Flick anknüpfen kann. Denn: Leipzig spielt ebenso pressingintensiven und zugleich ballbesitzlastigen Fußball. Lediglich einige Nuancen und natürlich die Qualität der Kader machen einen ernsthaften Unterschied zwischen Bayern und Leipzig aus. 

Man nehme einmal die Strukturen im Spielaufbau: Leipzig zieht die eigenen Angriffe seltener als Bayern durch die Mitte auf, weil Kevin Kampl und auch Marcel Sabitzer weniger präsent sind als Joshua Kimmich und Leon Goretzka. Stattdessen baut Leipzig – gerne auch mit Dreierabwehr – so auf, dass der Ball recht schnell weitläufig auf die Flügel gelangt. 

Die untenstehenden Grafiken verdeutlichen die leichten Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten. Sowohl Flick als auch Nagelsmann präferieren gerade gegen tiefstehende Mannschaften die Außenbahn als ersten Anlaufpunkt, um Spielzüge voranzutreiben. 

Nagelsmann: 2021-04-28_Leipzig-Hoffenheim_Passnetzwerk
Nagelsmann: 2021-04-28_Bayern-Leverkusen_Passnetzwerk

Insgesamt ist Leipzig etwas zurückhaltender im Spielaufbau und versucht mit weniger Risiko die ersten Raumgewinne zu erzielen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Akteure wie Willy Orban nicht jene Qualitäten im Passspiel haben, die es ihnen ermöglichen würde, regelmäßig ohne schmerzhafte Ballverluste durch die ersten Pressinglinien der Gegner durchzuspielen. Deshalb erfolgen die Zuspiele häufig nach außen, wo Tyler Adams, Angelino und Co. zunächst nicht unbedingt attackiert werden. 

Das Ergebnis dieser Spielweise ist, dass Leipzig selten in der eigenen Hälfte den Ball verliert. Das war zu Beginn der Saison in manchen Partien noch anders. Aber Nagelsmann hat die taktische Ausrichtung demensprechend angepasst. In München könnte er sicherlich ein wenig mehr Risiko eingehen, allerdings gehen dem deutschen Meister mit David Alaba und Jerome Boateng auch zwei kreative Innenverteidiger verloren. Insofern kann Nagelsmann eventuell von seiner Arbeit in Leipzig zehren. 

Allerdings wird er sicherlich versuchen, die technischen Qualitäten der bayerischen Offensivspieler auszunutzen und mit etwas mehr Tempo in die vorderen Zonen zu spielen. Robert Lewandowski und die Mitspieler um ihn herum sind in der Lage selbst auf engstem Raum und unter hohem Druck die Bälle zu verarbeiten. Leipzig hat weniger Spielbeschleunigungen als die Bayern unternommen, auch weil die Gefahr unzähliger Ballverluste höher ist.

Nagelsmann: 2021-04-28_Bundesliga_Spielbeschleunigungen

Defensiv sind sich Nagelsmann und Flick ebenfalls ähnlich. Zur Erinnerung: Als Flick im November 2019 die Mannschaft als Cheftrainer übernahm, war sie zumindest, was das Pressing anging, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Vorgänger Niko Kovac hatte die Pressingintensität erheblich heruntergefahren. Mittlerweile sind die Bayern wieder viel aggressiver und auf einem vergleichbaren Niveau mit Leipzig. 

Allerdings bestehen gewisse Unterschiede: Leipzig mit Nagelsmann hat ein ganzes Repertorie an Pressingschemen, die zum Einsatz kommen können. Ob mit hoher Viererlinie oder mit 3-2-Staffelung oder auch mit einem einzelnen Störspieler und entsprechend vier nachschiebenden Offensivkräften im 4-1, alles ist möglich. Zudem forciert Leipzig die Eins-gegen-Eins-Situationen im Pressing stärker als die Bayern, die eher versuchen, die Räume eng zu halten. Eventuell ist letzterer Ansatz etwas kräfteschonender und damit auch nachhaltiger für eine Mannschaft, die voraussichtlich wieder bis in den Frühling oder Frühsommer hinein auf drei Hochzeiten tanzen wird.

Nagelsmann: 2021-04-28_Bundesliga_Zweikämpfe-Pressing

Insgesamt wird sich unter Nagelsmann nicht allzu viel bei den Bayern ändern. Der 33-Jährige strotz natürlich vor Ideen und wird gewiss versuchen, die eine oder andere auch mit diesem hochwertigen Kader umzusetzen. Dreierketten und Mittelfeldrauten könnten zu den taktischen Experimenten dazugehören. Aber von der grundsätzlichen Spielausrichtung bleibt auch unter dem neuen Trainer alles beim Alten. 


Alle Grafiken und Visualisierungen in diesem Artikel stammen aus der Twenty3 Toolbox. Es werden die Daten von Wyscout verwendet. 

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